BEWUSST – PLANEN, BAUEN, LEBEN

Artikel 10 – Ausgabe 16-2002
Der Baustoff Lehm – Teil 2
Ältester und modernster Wandbaustoff der Welt
eine Betragsserie von Michael Reisinger, Planungsbüro für gesundes Bauen

Neben den hervorragenden Eigenschaften über die im Teil 1 berichtet wurde, sprechen für den Lehm ebenso
seine Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit. Das älteste noch erhaltene deutsche Fachwerkhaus stammt aus dem Jahr 1327. Ein Massivlehmhaus in Dothen, Kreis Jena, stammt aus dem Jahre 1592. Bereits seit 230 Jahren steht das Hauptgebäude der Frankeschen Stiftung in Halle mit 141m Länge und immerhin fünf Stockwerken, sicher an Ort und Stelle. Man kann sehen, dass auch in Deutschland seit Jahrhunderten erfolgreich mit Lehm gebaut wird. Es muss nicht immer ein Fachwerkhaus sein, wenn man die vielseitigen Vorzüge des Lehmes genießen möchte. Vorsatzwände in Massiv- oder Holzhäusern oder das Putzen mit Lehm tragen bereits wesentlich zur Verbesserung des Raumklimas bei. In der Haltbarkeit, Vielfältigkeit und Lebendigkeit haben Lehmputze die Kalkputze längst eingeholt. Man kann den Lehmputz sogar so bearbeiten,
dass man sich nahezu darin spiegeln kann.

Leicht und schnell sind Lehmbauwerke zu reparieren. Gerade in der Denkmalpflege ist es deshalb ein immer häufiger genutzter Baustoff, um die Haltbarkeit der Bausubstanz zu verlängern. Man besinnt sich wieder auf die vielen unersetzlichen Eigenschaften des Lehmes, gerade weil in den letzten Jahrzehnten zehntausende Fachwerkhäuser durch falsche Materialwahl kaputtsaniert wurden (SZ vom 21./22.06.1997). Besonders im Fachwerkbau ist der Lehm zweifelsohne der am besten geeignete Sanierungsbaustoff, da seine Gleichgewichtsfeuchte mit 4 – 6% noch unter der des Holzes liegt und dieses somit auf diese Weise konserviert wird. Durch den Entzug der Holzeigenfeuchte wird die Anfälligkeit gegen Schadinsekten oder Pilze gestoppt. Bei Abbrucharbeiten von alten Häusern kann man beobachten, dass überall dort, wo Lehm eingesetzt wurde, ein Befall mit Insekten nicht vorliegt.

Ein weiterer unbestreitbarer Vorteil des Lehmes liegt darin, dass er selbst nach tausenden von Jahren seine vorzüglichen Eigenschaften beibehält und problemlos auch nach dieser langen Zeit wiederverwendbar ist. Lehm bietet gratis einen guten Schallschutz, da er selbst nur schwer in Schwingung zu versetzen ist. In den heute meist sehr hellhörigen Neubauten wäre er also zweifelsohne ideal einsetzbar und könnte als Putz oder Wand- bzw. Deckenfüllmaterial Einsatz finden. Des weiteren kann Lehm heutigen Wärme- sowie Brandschutzanforderungen weit mehr als nur Paroli bieten. Kein anderer Baustoff erreicht annähernd diese Vielzahl sehr guter Eigenschaften.

Leider wird der Lehm heutzutage gerade bei neugebauten Fachwerkhäusern durch eine Vielzahl anderer Baumaterialien ersetzt. Beispiele reichen von Ziegelbis hin zu, für den Einsatz bedenklichen Baustoffen, wie Gasbetonsteinen oder vollständigen Dämmausfachungen hinter Putzträgerplatten. Viele Hausbesitzer mussten bereits böse Erfahrungen sammeln. Diese reichten über verfaulte Zapfenverbindungen bis zu nassen und verschimmelten Wandkonstruktionen. Im schlimmsten Fall war ein Abriss nicht mehr zu umgehen. Der Schmerz und die Wut bei einem solchen Schaden, ist für einige der Leser sicherlich anhand eigener Erfahrungen nachvollziehbar. Die Ursachen sind nicht nur in der schlechten Ausbildung der Architekten und Ingenieure zu suchen, sondern auch im immer mehr verlorengehenden traditionellen Handwerk. Planer wie Handwerker verlassen sich auf Produktangaben der Industrie und vergessen dabei allzu oft, selbst eigene Überlegungen anzustellen. Dass die gleichen Fehler, wie sie vor Jahrzehnten in den alten Bundesländern praktiziert wurden und dort bereits zu schlechten Ergebnissen führten, trotz der gemachten Erfahrungen auch heute noch bei uns eingebaut werden, ist mehr als verwunderlich. Gerade in einer Zeit, wo gespart werden muss, sollte doch das Handeln überlegter und durchdachter erfolgen.

In Deutschland entwickelt sich der Lehm langsam zu einem modernen und beliebten Baustoff. Lehmbau bzw. Lehmbaustoffe sind in Krankenhäusern, Mietwohnungs-, Gesellschafts- und sogar in öffentlichen Bauten bereits wieder zahlreich eingesetzt worden. Positiv zu sehen sind die Vielfalt der bereitstehenden Produkte, beispielhaften Lösungen sowie das gestiegene Interesse für Verbesserungen. In richtiger Aufarbeitung und Anwendung ist heute mit Lehm beinahe alles zu erstellen. Und die hohe Lebensqualität gibt es gratis. Gemeinsam mit einem Sachkundigen sollte für das jeweilige Bauvorhaben die spezielle Lehmbautechnik ausgewählt werden. Der Baustoff Lehm geriet leider als Baumaterial mehr und mehr in Vergessenheit. So wurde er eben unbegründet von "modernen Baustoffen" des Industriezeitalters verdrängt. Gerade durch seine jahrtausendelange Anwendung ist er jedoch weltweit der am längsten und am gründlichsten erprobte Baustoff. In Japan war es z.B. vorrangig wohlbetuchten Leuten vorbehalten, in Lehmbauten zu wohnen. In unseren Breitengraden war es der "arme Leute - Baustoff" und damit ein minderwertiges Baumaterial. Gewiss zu Unrecht anhand der vorgenannten Eigenschaften.

Lehmbaustoffe lassen sich problemlos mit einer Vielzahl von wärmedämmenden Baustoffen vermischen. Deshalb werden zur Verbesserung der Wärmedämmung von Bauwerken Lehme, vermengt mit Holz, Hanf, Stroh u.a., angeboten. Auch Lehmbauplatten oder kleinere Wandelemente werden hergestellt. Eine große Palette von Produkten wird im Bereich Fertigputze bereitgestellt. Darunter sind sogar Farbputze lieferbar. Die Verarbeitung wird somit noch leichter und problemloser - auch für den handwerklich Ungeübten. Lehm ist ohne Zeitdruck noch am übernächsten Tag oder auch später verarbeitbar, da er nicht chemisch abbindet, sondern seine Festigkeit allein durch Trocknung erhält. Eine seit längerem erprobte Bauart ist die Vermischung von Lehm mit Holzhackschnitzel. Das erdfeuchte Gemisch wird z.B. zwischen zwei Schalungstafeln eingebaut und umschließt die tragende Holzkonstruktion. Als bewährtes Baumaterial überdauert er bei fachgerechter Verarbeitung und geringem Reparaturaufwand Jahrhunderte. Für kreative Gestaltungen oder Selbstbau sind dem Verbraucher keine Grenzen gesetzt. Selbstverständlich sind die Naturgesetze auch bei diesem Baustoff einzuhalten. Jedoch verzeiht dieses Material kleinere Fehler, wo andere Baustoffe bereits versagen. Bei vielen, heute üblichen Baustoffen und Schichtaufbauten wird teilweise die Bauphysik grob missachtet. Schäden werden meist erst Jahre später sichtbar. Die nächste gewaltige, für viele kaum bezahlbare Sanierung steht ins Haus.

Gerade in unserer heutigen Zeit ist es angebracht, auf Altbewährtes zu setzen und die Erfahrungen vorangegangener Generationen zu nutzen, ohne jedoch neue Forschungen abwinkend abzuwehren. Gegenwart sowie Zukunft dürfen keine Bauweisen dulden, die umweltbelastend und teuer sind, nachhaltig die Gesundheit der Bewohner negativ beeinflussen oder belastete Bauflächen hinterlassen. Unser Wohlbefinden liegt nicht nur in einer bewussten Ernährung selbst. Auch die Umgebung ist von großer Wichtigkeit, da der Mensch über die Haut sehr viele Stoffe aufnimmt, leider nicht nur die "Guten" und die zum Leben notwendigen. Viele Dinge und Sachverhalte wurden noch vor Jahren belächelt. Heute sind diese bereits
eine Selbstverständlichkeit. So wird Lehm z.B. auch als Heilmittel wieder geschätzt. Er ist der lebensverträglichste Baustoff überhaupt. Es ist zu spüren, dass der Zuspruch für Häuser aus bzw. mit Lehm sowie der allgemeine Wunsch nach gesundem Wohnraum steigt. Dies ist sicherlich keine Modeerscheinung, sondern vielmehr ein langsamer Entwicklungsprozess der Bevölkerung, die die unschlagbaren Vorteile von Naturbaustoffen wiedererkennt. Mehr und mehr Menschen verbauen deshalb weniger bedenkenlos flüchtig die
Produkte der Industrie, denn sie wollen sich nicht den so oft schleichenden Gefahren aussetzen.

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