BEWUSST – PLANEN, BAUEN, LEBEN

Artikel 11 – Ausgabe 19-2002
Hochwasserschäden - auf Bauschäden richtig reagieren
Betragsserie von Michael Reisinger, Planungsbüro für gesundes Bauen

Der erste große Schock nach der Hochwasserkatastrophe ist überwunden und die Aufräum- und Abrissarbeiten dauern an. Dabei werden die Schäden allmählich sichtbar. Zugleich durchströmt viele eine
gewisse Ratlosigkeit vor der Fülle von Informationen über die zu verwendenden Baustoffe. In der jetzigen Zeit und unter der Not der Betroffenen werden viele Anbieter ein leichtes Spiel haben, schlechte und unbrauchbare Baumaterialien und „Wundermittel“ verkaufen zu können. Unzählige Produkte mit vielversprechenden Prospektangaben überschwemmen bereits den Markt. Zeitungen sind voll mit werbenden Annoncen, teuren, aber leider oft auch falschen Lösungsvorschlägen, die angeblich schnelle Hilfe verschaffen. In einer solchen Zeit haben wieder nicht funktionierende Sanierputzsysteme, preisintensive, aber nicht immer wirkungsvolle Entölungsprodukte, Falschberatungen oder viel zu hohe Miettrocknerangebote ein leichtes Spiel.

Viele Kunden werden sich viel zu schnell ohne Skepsis und genauer Prüfung auf vorgeschlagene Lösungen
einlassen. Schnell kann jedoch so manche Lösung im wahrsten Sinne „den Bach runtergehen“ und kostenaufwendige nachträgliche Reparaturen herbeiführen. Einer jeden Schadensbehebung sollte daher immer eine gründliche Schadensbeurteilung vorausgehen. Pauschale Aussagen können erste wichtige Schritte einleiten, jedoch nicht in jedem Falle den gesamten Schaden abklären. Wir können Ihnen daher nur raten, Produkte genauer unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, ob die gepriesene Wirkung überhaupt eintreten kann.

Durchfeuchtungen sowie mit Schlamm und/oder Heizölen verunreinigte Konstruktionen werden die hauptsächlichsten Schädigungen ausmachen. Bei Eltleitungen, Heizleitungen aus Kunststoff, Rohrisolierungen
oder Schaumstoffen, die mit Benzinen, Verdünnungen oder Ölen in Verbindung gekommen sind, sollte, um Spätschäden zu vermeiden, die Verträglichkeit mit diesen Stoffen bei der Herstellungsfirma erfragt werden. Bei eingestürzten oder einsturzgefährdeten Bauteilen, Rissen im Mauerwerk oder anderen schwerwiegenden Schäden sollte unbedingt ein Fachingenieur zur Schadensbeurteilung zu Rate gezogen werden. Ein großes Schadenspotential wird auch in aufgeschwommenen Fertigteilgaragen, Kellern
oder sogar ganzen Häusern liegen. In diesen Fällen sollte auf jeden Fall ein Gutachter bzw. Statiker herangezogen werden. Ein Aufschwimmen wurde in vielen Fällen erst dadurch möglich, da das ankommende
Wasser im Bereich der falsch gebauten Drainagen ungehindert einfließen konnte. Durch das so künstlich geschaffene Wasserbecken wurde die Grundlage für den unerwünschten Auftriebeffekt geschaffen.
Welche Kräfte das Wasser dort entwickelte, lässt sich leicht mit einem Topf, der langsam unter die
Wasseroberfläche gedrückt wird, nachvollziehen. In diesen Fällen wäre ein Fluten der Keller sinnvoll gewesen
– auch wenn es im ersten Moment vom Laien nicht für notwendig erachtet wird. Die Gefahr des Auftriebs besteht auch bei vollgelaufenen Kellern/Gebäuden, wenn diese nach Hochwasserrückgang zu schnell ausgepumpt werden. Der Wasserdruck auf die Fundamente oder ein Unterspülen dieser, könnte zu ernsthaften Schäden führen, ja sogar bis hin zum Einsturz.

Der Fall „Hochwasser“ ist ein Extremfall und erfordert auch im nachhinein einen kühlen Kopf und überlegte Vorgehensweisen. Um die Kosten einzuschränken, sollte bei der Sanierung der Schäden auf preiswerte Lösungen zurückgegriffen werden, die auch vom Laien selbst ausgeführt werden können. Hierfür gibt es einige vernünftige Möglichkeiten, die, wie so oft, im Einfachen zu finden sind. Komplizierte Detaillösungen, Schichtenaufbauten oder Sanierungsmaßnahmen haben noch nie geholfen und werden es auch in diesem Falle nicht tun. Gerade darauf sollten sich viele nach dieser Katastrophe wieder besinnen. Nicht
allein die Diffusionsoffenheit ist die wichtigste Eigenschaft eines Baustoffes. Wesentlich wichtiger ist die Fähigkeit eines Baustoffes, das anfallende Wasser kapillar aus dem Bauteil zu transportieren. Fragen Sie beim Kauf von Baustoffen bewusst nach dieser Eigenschaft.

Staunässe muss aufgedeckt werden. Daher sollten alle hohlen Baukonstruktionen bei Durchfeuchtung zur besseren Trocknung vollständig geöffnet werden. Dazu zählen z.B. Gipsständerwände, schwimmende Fußbodenaufbauten, aber auch Rohrisolierungen etc. Über die Bauteilfugen konnte das in den Raum eingedrungene Wasser auch in die zuvor beschriebenen Konstruktionen eindringen, feinen Schlamm und Schadstoffe, wie Heizöle, in diese Konstruktionen einspülen. Da unser Büro selbst einige Tage bei betroffen
Bauherren während des Hochwassers half, Schäden zu minimieren, konnten wir hautnah erleben, wo der feine Schlamm überall zu finden war.

Zudem werden durch das eingedrungene Wasser ideale Rahmenbedingungen für eine rasche Entstehung von Schimmelpilzen gegeben. Darauf sollte auch das Hauptaugenmerk liegen. Schlecht oder nicht belüftete, feuchte sowie warme Konstruktionsschichten neigen unweigerlich zur Schimmelbildung. Um einen Befall zu verhindern, sollte umgehend mit dem Ausbau begonnen werden. Diese Tatsache momentan zu ignorieren, würde spätere und teure Sanierungen unweigerlich heraufbeschwören und ggf. bei den Bewohnern zu  ernsthaften gesundheitlichen Schäden führen. In einem unserer zurückliegenden Beiträge (unter www.gesundes-Bauen.com) erwähnten wir bereits, dass auch ”eingetrockneter” Schimmel bedenkliche gesundheitliche Schäden verursachen kann. Da gerade Holzbauteile anfällig für Schimmel sind, sind diese in jedem Fall auszubauen. Bereits nach zwei Tagen hatten wir bei unserem Einsatz Schimmelbildungen an Eichenhölzern feststellen müssen. Imprägnierungen sind meist nur ein Alibi, da die Eindringtiefe und Wirkung nur wenige Millimeter beträgt. Das verbaute Holz, in vielfältigster Form und Weise, hat gegenüber den mineralischen Baustoffen eine Sonderstellung. Denn mit der Durchfeuchtung werden die Holzstoffe als Nahrung für Pilze und Schimmel erst interessant. Betroffene Holzbalkendecken sind nach unserer Auffassung auf jeden Fall von oben und unten zu öffnen. Feuchte Einschübe aus Sanden und Schlacken sollten ausgebaut und gegen trockene Lehmbaustoffe ersetzt werden. Wichtig ist auch hier die schnelle Trocknung. Bei betroffenen Fertigteilhäusern sind die Holzständerkonstruktionen freizulegen und genauestens zu untersuchen. Falls die Holzständerkonstruktion weiter verwendet werden kann, sollte auf erneuten Einbau von sperrenden Folien verzichtet werden. Der kapillaren Leitfähigkeit von Baustoffen gilt gerade hier allergrößte Beachtung. Aus dieser Sicht können unter anderem Lehmbaustoffe verstärk verwendet werden.

Bei sehr feuchtem Mauerwerk (Ziegel, Gasbeton, saugende Materialien) ist ein Ausbau des Putzes sehr
ratsam, da dadurch die Trocknung des Mauerwerkes um einiges verbessert wird. Meistens wurden kunststoff-
oder zementhaltige Putze verwendet, die das Wasser in den Wandbaustoffen lange zurückhalten. Gerade bei langen Wasserstandszeiten ist vorstellbar, dass sich in den feuchten Hohlräumen Schimmel bilden kann. Hier sollte ortsbezogen ebenfalls in die Wandkonstruktion eingeschaut werden. Bei Liaporwandbaustoffen ist bei nicht verunreinigten Putzen meist kein Ausbau desselben notwendig, da das Wasser nur wenige Zentimeter in den Baustoff eindringen konnte. Geringe Durchfeuchtungen und eine rasche Abtrocknung konnten unsererseits bei diesem Wandbaustoff beobachtet werden. Durch Aufbohren des betroffenen Mauerwerkes kann der Laie anhand der Konsistenz des Bohrstaubes leicht prüfen, inwieweit das Mauerwerk weniger oder mehr durchfeuchtet ist. Damit kann ebenso festgestellt werden, ob in Hohlräumen des Mauerwerkes noch Wasser vorhanden ist.

Verschlammte oder mit Heizöl verunreinigte Putze sollten nach unser Meinung in jedem Fall ausgebaut
werden. Eine Reinigung in Innenräumen wird nur in wenigen Fällen den gewünschten Erfolg erzielen. So könnten im Nachgang Probleme mit schlecht haftenden Farbanstrichen, aber auch durch ausgasende Schadstoffe entstehen. Chemische Mittel oder Pasten versprechen schnelle Hilfe. Meist sind diese gegenüber einem vollständigen Putzausbau jedoch wesentlich teurer und letztendlich wird diese Vorgehensweise mit anschließender Farbbehandlung die Ursache nur kaschieren, aber nie beseitigen. Wenn mehrere Arbeitsgänge zur Beseitigung des Öles notwendig werden, kann schnell das dreifache an Kosten gegenüber einem vollständigen Putzausbau entstehen. Eine Gegenüberstellung der Kosten wird diesen Sachverhalt aufdecken.
In einigen Fällen wird es jedoch nicht möglich sein, gänzlich darauf zu verzichten. Zur Anwendung sollten dann umwelt- und gesundheitsverträgliche, flüssige Ölreinigungsmittel kommen.

Ebenso verfehlen oft vorgestellte und umworbene Sanierputze meist ihre Wirkung, da sie in der Praxis
nicht entfeuchtend wirken. Die notwendige kapillare Leitfähigkeit ist bei diesen Putzen nur in sehr geringer
Form vorhanden. Eine gute Diffusionsfähigkeit von Putzen allein reicht leider nicht aus. Einfache Kalkputze,
die auch heute noch von Mörtelwerken angeboten werden, sind weit besser geeignet und sollten auf Grund ihrer hervorragenden Eigenschaften wieder verstärkt Anwendung finden. Auch sollte verstärkt darüber nachgedacht werden, ob nicht gar Lehmputze eingesetzt werden können. Die hervorragenden Eigenschaften,
wie z.B. die Entfeuchtung von Baustoffen, Verbesserung des Raumklimas, Schadstoffentzug aus der Luft etc., können so von diesem Baustoff optimal genutzt werden. Die geringen Mehrkosten sind auf Grund der positiven Eigenschaften vertretbar.

Wirksame Entfeuchtungen können einerseits mit Entfeuchtungsgeräten oder durch Erwärmung der Räume herbeigeführt werden. Bei Verwendung von Entfeuchtungsgeräten muss jegliche Luftzufuhr unterbunden werden! Ansonsten wird nur die einfließende Außenluft entfeuchtet. Leider nutzen einige Firmen durch hohe Mietgebühren den jetzigen Schaden der Betroffenen aus. Da Entfeuchtungsgeräte bereits Mangelware sind, kann auf die Schnelle auch ein ausrangierter, aber noch gängiger Kühlschrank, weiterhelfen. Er arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie ein Kondensationsentfeuchter. Auch durch richtiges Lüften ist eine wirksame Entfeuchtung möglich und kann teure Mietgebühren für Entfeuchtungs- und Beheizungsgeräte ersparen. Es dauert ggf. länger, doch auf Grund der eingesparten Gelder wird es sich für manchen rechnen. Keller- oder Wohnräume, die nicht gleich wieder bezogen werden müssen, können auf diese Weise langsam austrocknen. Sinnvollerweise sollten die betroffenen Räume erwärmt werden. Dies kann durch mobile Geräte oder durch die in Betrieb genommene Heizung erfolgen. Die Innentemperatur sollte höher sein als die Außentemperatur. Bei den derzeit sehr sommerlichen Temperaturen klingt dies paradox, aber nur so wird eine Wirkung zu erzielen sein.

Um die Wände wirkungsvoll zu beheizen und Räume zu entfeuchten, können Temperierungsschleifen eingebaut werden. Diese verlaufen mit Vor- und Rücklauf ca. 10cm über dem Fußboden und sind an bestehende Heizkreisläufe möglicherweise anschließbar. Die Fenster sollten dabei stets ein bis zwei Handbreit
offen stehen, gerade auch nachts, da zu diesen Zeiten die Entfeuchtung am intensivsten ist. Über leicht geöffnete Fenster kann die warme Luft nach außen entweichen und somit das aus den Wänden aufgenommene Wasser abtransportieren. Die Fenster sind nicht anzukippen, da durch die Kippstellung keine
wirksame Entlüftung gewährleistet wird. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, die Luft innen kräftig aufzuheizen, durch Fensterlüftung schnell nach draußen zu befördern und gleichzeitig wieder kühlere, trockene Luft hereinzulassen. Das ist die sicherste Methode ein Gebäude nachhaltig zu trocknen. Es klingt kompliziert, ist beim genaueren Durchdenken jedoch mehr als logisch. Je höher der Temperaturunterschied,
um so schneller ist die Trocknung.

Planungsbüro für gesundes Bauen: Anfragen unter 0351- 8387089, info@gesundes-bauen.com

Für genauere bzw. weiterführende Erläuterungen, dieser teilweise kurzen Ausführungen, werden kostenfreie Beratungen bei "Saxonia – Baustoffmarkt" in Dresden, Fritz-Reuter-Straße 58, täglich von 14°° Uhr bis 18°° Uhr angeboten.

zurück