BEWUSST – PLANEN, BAUEN, LEBEN

Artikel 14 - Ausgabe 6-2003

Warum wird so manche Fassade grün?

Betragsserie von M. Reisinger, Planungsbüro für gesundes Bauen, Radebeul

Vielerorts kann man seit einigen Jahren verstärkt grüne oder verschmutzte Fassaden sehen, die wir aus ver-gangenen Zeiten so nicht kennen. Es sind Moose, Algen, Pilze und andere organische Stoffe, die sich auf vielen Fassaden pudelwohl fühlen. Momentan wird es von vielen einfach noch hingenommen. In den nächs-ten Jahren jedoch werden uns diese Fassaden arg beschäftigen. Der Maler kann sich freuen, auf ggf. neue Aufträge, die Nachbarn und Passanten, die eine solche verdreckte Fassade jeden Tag anschauen müssen, wohl weniger. Denn wenn die Fassade nach 8 - 9 Jahren beginnt, sich zu verfärben, werden nicht immer die finanziellen Mittel für einen neuen Fassadenanstrich, bei meist schon ausgereizten Krediten, zur Verfügung stehen. Wohlgemerkt: nach einem Zeitraum, in dem ein eventuell aufgenommener Kredit bei weitem nicht bezahlt ist, und die erwarteten Heizkostenersparnisse nicht den Berechnungen entsprechen.

Viele Hausbesitzer ließen sich, in dem Glauben gut beraten zu sein, von der erstbesten Firma außenseitig an der Fassade eine Wärmedämmung anbringen. Aus Gründen der Energieeinsparung und den daraus resultierenden möglichen finanziellen Einsparungen wurde so manche altehrwürdige Fassade mit Schaumstoffen oder Mineraldämmwollen versehen. Die Investition sollte sich rasch amortisieren. Was wurde da manchem Bauherren nicht alles "aufgetischt". Selbst bei einer groben Überschlagsrechnung, mit Einbezug einer Kreditierung, wird ersichtlich, dass eine mögliche Rentabilität bei nachträglichem Einbau einer Außendämmung jenseits von 30 Jahren sein wird. Oft wird diese auch gar nicht eintreten, da die Einsparungsgewinne nicht dem entsprechen, was berechnet oder vom Handwerker offeriert wurde.

Erstellen Sie sich selbst Ihr Rechenbeispiel und holen Sie sich dazu ein Angebot von einem Handwerker ein. Berücksichtigt werden nur die Arbeiten für die Dämmung, kein Putz und keine Farbgebung. Diese Arbeiten sind in diesem Fall "Sowiesoarbeiten". Jetzt wird die Kreditierung berücksichtigt. Über Internetsuchmaschinen findet man dazu einige simple Berechnungsmodelle. Legen Sie sich selbst die Laufzeit fest. Von diesen Gesamtkosten werden nun die möglichen Heizkosteneinsparungen, im Rahmen der berücksichtigten Laufzeit, abgezogen. Bedenken Sie, dass überschlägig maximal die Hälfte für Heizkosten angerechnet wird, denn die andere Hälfte fällt für die Bereitstellung von Warmwasser (duschen, kochen, etc.) an. Selbst wenn nun durch die "Superdämmung" die Hälfte dieser berücksichtigten Heizkosten gespart werden könnte (was utopisch wäre), und man die Zinsen für einen aufgenommenen Kredit mit entsprechender Laufzeit berücksichtigt, ergibt sich eine gewaltige Lücke. Nun überzeugende Argumente für einen Einbau zu finden, sollte doch schwer sein. Noch schwerer lassen sie sich finden, wenn die Einsparung nicht eintritt oder Dämmungen versagen. Und was ist mit den kostenlosen solaren Gewinnen, die verloren gehen? Die finanzielle Lücke wird noch größer, wenn ein Neuanstrich der Fassade erneute Kosten verursacht, will man nicht als "Grüner" dastehen. Wie lange die vorgeklebten Fassaden überhaupt halten, das weiß keiner. Anhand der aufkommenden Schäden in den alten Bundesländern lässt sich dies jedoch erahnen. Ebenso scheint sich kaum einer zu fragen, was mit den Fassaden passiert, wenn diese wieder runter müssen. Sei es aus Versagensgründen oder nach "getaner" Arbeit. Sie müssen entsorgt werden, als Wertstoff - früher wurde es als Sondermüll bezeichnet. Schauen Sie sich um, beobachten Sie selbst und entscheiden Sie dann in aller Ruhe, denn es gibt Alternativen.

Warum veralgen, vermoosen und verschmutzen die Fassaden so schnell? Hierfür wird ein tieferer Blick in die Bauphysik notwendig. Die mit Schaumstoffen oder Mineralwollen gedämmten Fassaden heizen sich durch Sonneneinstrahlung tagsüber schnell auf und kühlen nachts auch ebenso schnell wieder ab. An den nun kalten Putzoberflächen kann sich die Luftfeuchte niederschlagen und auskondensieren. Infolge meist kunststoffhaltiger Putze und ausreichend Haftungsmöglichkeiten für Stäube, wird so über Jahre ein idealer Nährboden für Moose, Algen und andere organische Substanzen aufgebaut. Durch elektrostatisches Aufladen der Kunststoffteilchen in den Fassaden, werden Stäube aus der Luft massiver angezogen. Nicht selten sind Kunststoffanteile von 5% oder gar bis 15% in Putzmischungen und Farbanstrichen enthalten. Da die Nordfassaden weniger Sonneneinstrahlung erhalten, sind dies meist auch die betrof-fenen Flächen. Man muss sich also nicht mehr am vermoosten Baum orientieren, um die Himmelsrichtung zu bestimmen. Bekannt ist das Thema schon lange, doch reagiert wird wieder einmal mit Chemie. Es ist jedoch eindeutig, wen das dann letztendlich mehr bekämpfen wird.

Dämmen ist gut und wichtig. Jedoch sollte eine nutzvolle Variante gewählt werden, die es in vielfältigster Weise gibt. Man kann außen dämmen, wenn die Außenwände zu dünn sind. Jedoch sollte man dies mit einem wärmespeichernden Dämmmaterial tun. Der Vorteil ist, dass die Außenputze sich nicht zu weit abkühlen und sich somit weniger Feuchte niederschlagen kann. Entziehen Sie den Nährboden für organische Substanzen und verwenden sie keine wasserrückhaltenden Materialien, indem Sie kunststoffhaltige Putze und Farben vermeiden. Nur so kann die Fassade normal altern und Sonnenwärme kostensparend zwischenge-speichert werden. Auch innen kann einiges getan werden, um kalte Wände behaglich zu gestalten. Eine Dämmung wäre hier aus bauphysikalischer Sicht fehl am Platz. Vielmehr eignet sich eine Vormauerung aus Lehm-, Blähton- oder Ziegelsteinen. Diese massiven Baustoffe speichern Wärme. Will man Energie einsparen, ist die Berücksichtigung der Wärmespeicherung eine der wichtigsten Eigenschaften eines Baustoffes.

Oft ist gar keine Dämmung erst notwendig, da eine ausreichende Wandstärke vorhanden ist. Um Heizkosten einzusparen und das Raumklima nachhaltig zu verbessern, sollten die Außenwände mittels Temperie-rungsschleifen oder Wandheizflächen erwärmt werden. Es ließen sich so ca. 10% bis 20% Heizkosten effektiv einsparen. Zudem wird die Bausubstanz durch die Wärme zusätzlich geschützt. Infolge der warmen Außenwände können die Raumtemperaturen niedriger gehalten werden. Durch die Strahlungswärme, die dem Nutzer von der Wand aus entgegenströmt, angenehm haben wir dies vom Ofen der Großmutter oder vom letzten Sonnentag in Erinnerung, sind nicht selten Temperaturen zwischen 16 und 19°C möglich. Bei her-kömmlichen Konvektionsheizungen sind Raumtemperaturen von 22 bis 26°C durchaus keine Seltenheit.

Mit der Temperierung der Außenwände können lästige Schimmelprobleme ebenso effektiver behoben werden. Eine Dämmung mit herkömmlichen Materialien hilft bei innenseitigen Schimmelproblemen nur selten (siehe hierzu auch unsere zurückliegenden Beiträge). Meist erzeugt diese nur erneute Probleme und nicht selten zeigt sich der Schimmel bereits nach kurzer Zeit wieder. Schon so manche verschimmelte Wohnung konnten wir mit Hilfe von Lehmwänden oder Lehmputzen mit darunterliegenden Temperierungsschleifen erfolgreich sanieren. In manchen Räumen waren vor der Sanierung sage und schreibe bis zu 85% Luftfeuchte bei normalem Aufenthalt messbar. Nach der Sanie-rung, trotz weiterer Wohnnutzung, wurde bei noch nicht vollständig getrocknetem Lehmputz eine Raumfeuchte von nur 65% gemessen. Später lagen die Werte zwischen 50% und 60%.

Für weitere Informationen oder Fragen stehen wir gern zur Verfügung: Michael Reisinger; Planungsbüro für gesundes Bauen, Radebeul, Tel: 0351-8387089, 0172-7042990, info@gesundes-bauen.com

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