BEWUSST – PLANEN, BAUEN, LEBEN

Artikel 07 – Ausgabe 10-2002
Lüften nur wegen Schimmelpilzgefahren?
Eine Betragsserie von Michael Reisinger, Planungsbüro für gesundes Bauen

Falsche Lüftungsmethoden sowie der Einsatz neuer Baumaterialien, die nachhaltig einen Wassertransport im Bauteil behindern, waren Themen in der 8. Ausgabe. Wie die Resonanz zeigt, ist dies ein akutes Problem bei Neubauten, falsch sanierten Altbauten und besonders im Bereich vermieteter Wohnräume.

Schimmelpilze können in Form von mehr als 100 Arten in einem Gebäude vorkommen. Sie entstehen vorrangig in bzw. an feuchten Bauteilen und ernähren sich von organischen Substanzen, die z.B. in der Erde, in Holz, in Staubpartikeln oder sogar in Kunststoffen, also fast überall vorkommen. Dunkelheit, Wärme, Feuchte und zirkulationsarme Luft sind ideale Bedingungen. In Innenräumen gedeihen einige Schimmelpilzarten bereits bei 65% relativer Luftfeuchte und Temperaturen ab 20°C prächtig. Die Mehrzahl von Schimmelpilzen sind für den Menschen sehr schädlich. Die Pilzsporen können in den menschlichen Organismus eindringen und dort Gewebe und Zellen zerstören. Besonders gefährdet durch mikrobielle Belastungen sind Kinder, da sie empfindlicher reagieren und ihre Beschwerden oft gar nicht artikulieren können.

Nicht nur von feuchten Stellen in Wohnungen und Arbeitsräumen geht eine akute Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze und Bakterien aus, sondern auch von "trockenen" Jahrzehnte alten Schäden können giftige Substanzen ausgasen. Oftmals liegen die gefährlichen Bauschäden hinter Tapeten oder Gipsplatten, im Mauerwerk (z.B. den sehr feuchten Porenbetonsteinen), in folienverpackten Fußbodenisolierungen oder in Deckenkonstruktionen.

Falsch verstandenes Bauhandwerk und unbeachtete Bauphysik, welche leider auch von alteingesessenen Firmen praktiziert werden, tragen immer wieder zu gravierenden Schäden bei. Keine Einzelfälle sind dabei mit Gipskarton verkleidete Außenwände. Durch innenliegende Isolierungen wird der Taupunkt weiter nach innen verschoben, wodurch noch mehr Feuchte im Außenwandmaterial entsteht. Somit kann ungehindert ein vermehrter Befall hinter der Gipskartonplatte auftreten. Die entstehenden Ausgasungen dringen in den Wohnraum ein. Nach einem Wasserschaden, z.B. im schwimmenden Estrich, wird meist zwangsgetrocknet. Die gefährliche Schimmelbelastung verbleibt jedoch im Fußboden. Diese führt auch im getrockneten Zustand zu Ausgasungen und somit zu erheblichen gesundheitlichen Schädigungen. Die Schimmelpilze können sich hinter, durch und auf Tapeten ausbreiten. Insbesondere durch den hohen Zucker-, Eiweiß- und Ligninanteil in Raufasertapeten sowie Weichmachern und Verdickungsmitteln in Dispersionsfarben ist eine gute Basis geschaffen.

Eine Belastung für den Menschen ist auch bei nicht sichtbarem Schimmelbefall vorhanden. Meist sind diese auf ehemalige nicht beseitigte Schimmelstellen zurückzuführen. Es ist daher im eigenen Interesse unbedingt Pflicht, dass bei einem festgestellten Schimmelbefall zunächst die Ursache gesucht wird. Der Schaden kann nur grundlegend behoben werden, wenn auch die Ursache beseitigt, also in den Kreislauf des Pilzlebensraumes eingegriffen wird. Meist helfen bereits richtiges Lüftungsverhalten und Kontrolle der Feuchtigkeitsproduktion, deren praktische Umsetzung leider immer wieder falsch verstanden werden. Der Ausbau von Tapeten und befallenen Materialien ist jedoch ein unbedingtes Muss. Nach der wirkungsvollen Beseitigung der Ursachen und Schäden, führt intensives Staubsaugen allmählich zu einer Minimierung der Staubmenge und somit zur Reduzierung der Sporenmengen. Staubfänger, wie Teppiche, Gardinen, Polstermöbel, usw. sind gründlich zu reinigen oder ggf. gänzlich auszubauen.

Befallenes Holz und Textilien sind vollständig zu erneuern. Wenn möglich sollte auf einen erneuten Einsatz von Tapeten verzichtet werden. Bei der Erneuerung sollte auf anorganische Materialien, wie Kalkputz, Kalk und Mineralfarben, zurückgegriffen werden. Auf Luftbefeuchter sollte in diesen Fällen gänzlich verzichtet werden.

Die im Baumarkt erhältlichen Bekämpfungsmittel sind langfristig als wirkungslos einzustufen, da diese nur oberflächlich wirksam werden. Die giftigen und schädlichen Wirkungen sind trotz angepriesener Maßnahmen weiter vorhanden und führen unweigerlich zu neuen Belastungen. Solche Mittel sollten nicht eingesetzt werden, denn von Ihnen enthalten giftigen Substanzen mit nicht unbedenklichen Nebenwirkungen für den Menschen. Diese Mittelchen dienen oft alleinig dazu dem Betroffenen wieder ein wenig den Geldbeutel zu erleichtern.

Aber auch andere Tücken schweben in der Luft. Ihretwegen ist Lüften ebenso sehr ratsam. Studien haben ergeben, dass in einem modernen Haus bis zu 70.000 chemische Verbindungen auftreten können. Eine Vielzahl davon können als Wohnraumgifte bezeichnet werden, die die Gesundheit der Nutzer beeinträchtigen. Wieder sind Kinder oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem besonders betroffen. Wir kennen kaum noch Familien, in der nicht ein Kind mit Allergien jeglicher Art kämpft. Durch Wohngifte werden ebenfalls  sogenannte diffuse Beschwerden hervorgerufen, wie Kopfschmerzen, Asthma oder chronische Infekte. Aber auch steigendes Krebsrisiko und Schädigung des Erbguts können die Folge sein. Krankheiten entstehen nicht nur durch belastete Luft, sondern auch durch eine individuelle Unverträglichkeit gegenüber bestimmten Baustoffen. Nur wer genaue Informationen über seine Umgebung hat, kann wirksam handeln und sich vor den Schadstoffen schützen. Ausführliche Informationen muss sich ein jeder Bauherr jedoch selbst einholen. Unparteiische Dritte sind hier ausgesprochen hilfreich. Firmen oder Vertriebspartner geben selten offen Auskünfte, da nur zu oft der Verkauf im Vordergrund steht.

Allergene Belastungen werden auch durch Hausstaubmilben verursacht. Die Folgen sind Nasen- und Augenreizungen bis hin zu chronischem Asthma. Milbenallergene finden sich in aller Art von Textilien. Ein Grund mehr, um auf altbewährte Dielenböden zurückzugreifen. Auch Formaldehyd gilt nach wie vor als potentieller Krebserreger. Es ist eine Chemikalie, die leider immer noch Einsatz findet bzw. in alten Materialien
vorkommt. Die Hauptbelastung geht von Spanplatten aus. Verstärkt wird die Freisetzung durch zusätzlich eindringende Feuchte (Fußbodenaufbauten mit dichtenden Folien). Ein täglicher Kontakt mit Formaldehyd kann zu Hustenreiz, Kopfschmerzen oder eben auch zu einer Schädigung des Erbgutes führen.

Lösemittel können Allergien hervorrufen und sind für viele unspezifische Krankheiten verantwortlich. Sie befinden sich in Farben und Klebstoffen. An frisch gestrichenen Wänden oder neu verlegten Teppichen sind Lösemittel durch den Geruch wahrnehmbar. Sie entfalten ihre schädigende Wirkung auf Dauer in  Konzentrationen, die mit den Sinnesorganen nicht mehr wahrzunehmen sind. PCP (Pentanchlorphenol) ist ein Pestizid, das nachweislich gesundheitsschädigend ist, besonders in Verbindung mit Formaldehyd. Lange Jahre wurde die Chemikalie nahezu allen Holzschutzmitteln beigesetzt und befindet sich daher in vielen alten Möbeln oder Baumaterialien. PCP verflüchtigt sich vollständig erst nach 20 bis 30 Jahren. Auch bei dieser Chemikalie sind die Ausdunstungen in Verbindung mit hoher Luftfeuchte mitunter extrem hoch.

Nicht zu vergessen ist das Radon. Immer mehr Baustoffe finden unbedachten Einsatz, von welchen dieses Gas in die Wohnräume dringen kann. Bei schlechtem lüften und zu geringen Luftwechselraten ist es kein Wunder, dass in vielen Wohnräumen heute eine erhöhte Konzentration dieses Gases gemessen wird. Die erhöhten  Werte stehen stark in Verdacht, das Lungenkrebsrisiko positiv zu beeinflussen. Vor allem in  Souterrainwohnungen sollte gezielter gelüftet werden, da in diesem Bereich Radon verstärkt durch Ritzen und Fugen aus dem Erdreich in die Räume eindringt.

Planungsbüro für gesundes Bauen: kostenfreie Bauherrenseminare zu verschiedenen Themen des gesunden Bauens – Anfragen unter 0351- 8387089 oder info@gesundes-Bauen.com

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